Unser Autor Peter Gebhardt, Verfasser der beiden Abruzzen-Wanderkrimis sowie des Mafia-Krimis »Schach« , dessen Schauplatz sich ebenfalls überwiegend in den Bergen der Abruzzen befindet, machte sich auf den Weg, um sich ein Bild von den Zerstörungen der letzten Erdbeben zu machen. Hier sein Bericht:
Tortoreto 11.04.2018
Im Januar diesen Jahres habe ich mich auf den Weg in das etwa 90 Kilometer entfernte Amatrice gemacht. Über die SS4 nach Ascoli Piceno, dann weiter in Richtung Rom. Nicht weit nach Ascoli werden die ersten Spuren des Erbebens von 2016 sichtbar. Das völlig zerstörte Arquata und Pescara del Tronto zeigen noch heute die Urgewalt des Erdbebens vor über einem Jahr auf. Nichts wurde, nichts konnte in den Ortschaften bisher getan werden, sie gleichen riesigen Bauschutthalden. Die SS4 musste gesichert werden, Eisenbahncontainer wurden mit Kies gefüllt und zu einer Schutzwand unterhalb von Pescara del Tronto neben der Superstrada gestapelt. Linker Hand der Straße entstehen langsam Behelfsunterkünfte für die Bewohner der zerstörten Orte. Grisciana, der Geburtsort der berühmten Pasta Grisciana, ist hier ebenfalls bis auf ein paar Häuser völlig zerstört. Unweit davon sind jetzt Holzhäuser zu sehen, die einen Alimentari, eine Kirche, die Bar, ein kleines Postamt und die Carabinieri beherbergen. Nebenan die errichteten Wohnhäuser der Terremotati, so ist die Bezeichnung der Überlebenden hier.
Kurz danach endet die Region der Marken, Lazio beginnt und nach ein paar Kilometer geht es der Beschilderung folgend nach rechts weiter, in Richtung Amatrice. Eine kurvenreiche Straße führt auf die wohl bekannteste Ortschaft dieser Gegend hin. Amatrice, das einst schon von weitem auf einem Hügel zu sehen war, wurde schwer getroffen. Nur der Kirchturm ragt noch aus dem Schutt trotzig nach oben, die Zufahrt in den Ort ist nur Wenigen gestattet.
Dann beginnt eine Fahrt durch zerstörte Orte, deren Namen man nie in den Medien hörte oder etwas von ihrem Schicksal gelesen hatte. Cossito, Collecreta oder Coscello sind nur drei von vielen dieser »vergessenen Orte«. In Cossito zum Beispiel leben die Menschen noch heute in gespendeten alten Wohnwagen und Baucontainer. Erst vor kurzem wurden hier die Arbeiten für die Holzhäuser begonnen. In der Localita Ponte Sommati bleibe ich vor einer Bar stehen, einige Zeit überlege ich im Auto ob ich hineingehen soll, irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen. Wollen die Menschen hier uns wirklich sehen?
Ich entschließe mich, einen Kaffee zu trinken. Zwei Arbeiter verlassen kurz darauf die Bar, ich stehe alleine an der Theke. Ich komme mit der Besitzerin ins Gespräch, ich beglückwünsche sie zu der geschmackvoll renovierten, einfachen Bar. Sie erzählt mir von ihrem Schicksal. Ezio Lalli und sie, Monica Di Giannavito, hatten das Haus im Frühjahr 2016 erworben. Ezio war mit seinen Maultieren oft in den Bergen unterwegs, sie trugen die Rucksäcke der Touristen, auf den Wanderwegen in den Monti della Laga. Monica kümmerte sich um die Bar und bewirtete bei schönem Wetter ihre Gäste im Garten. Dann kam das Beben, das Haus wurde stark beschädigt, der Stall zerstört. Die meisten der Maultiere kamen ums Leben.
Wieder zurück in Tortoreto erzähle ich unserer guten Freundin Karin von meiner Fahrt und wir beschließen am nächsten Sonntag zum Essen zu den beiden zu fahren. In dem kleinen Nebenraum der Bar bekocht Monica uns mit ihren eigenen Erzeugnissen. Für wenig Geld bekommen wir unzählige Antipasti und nach der Pasta Grisciana müssen wir den Secondo auslassen, zu viel haben wir gegessen. Beim Cafè kommen die Wirtin und Karin ins Gespräch und Monica erzählt ihr, dass sie zu allem Unglück nun auch noch von einer schweren Krankheit getroffen wurde.
Im März hatte ich nun zusammen mit meinem Freund Rinaldo Talamonti einige Lesungen in München. Schon auf der Rückfahrt nach München hatte ich beschlossen die Einnahmen aus dem Verkauf meiner Bücher bei den Vorstellungen Monica und Ezio zu schenken. Nun war es soweit, zusammen mit meiner Frau Tina und unserer Freundin Karin haben wir die beiden wieder besucht. Nach dem Essen, das wieder ausgezeichnet war, überreichte ich ihnen zusammen mit meinem Buch »La Promozione« den Erlös aus dem Verkauf der Bücher.
Ich möchte mich herzlich bedanken bei allen, die mitgeholfen haben den beiden, Monica und Ezio, in ihrer derzeitigen Situation eine Freude zu machen. Ich soll Sie alle herzlich von den beiden grüßen.
Grazie a tutti Peter Gebhardt
Der Verlag Berg & Tal schließt sich dieser spontanen Aktion an und spendet 10 Prozent der Erlöse der oben genannten Abruzzen-Titel von Peter Gebhardt, soweit sie über den Verlag bezogen werden.
Außerdem folgende Bitte:
Falls Sie Ihren Urlaub in den Abruzzen oder an der Grenze zu den Abruzzen machen sollten, besuchen Sie doch Ezio und Monica vor Ort, kehren Sie dort ein. Dies wäre sicher die angemessenste und willkommenste Unterstützung. Eine Hilfe im Kleinen – aber eine Hilfe, die den Betroffenen direkt zugute kommt.
Ihr Heinrich Bauregger
Hier noch die Wegbeschreibung nach Amatrice, Ponte Sommati BAR LA RINASCITA
- A14 Ausfahrt San Benedetto del Tronto
- SS4 Richtung Rom folgen
- vorbei an Ascoli Piceno (25 km)
- nach 44 km Ausfahrt Amatrice folgen
- nach 11 km kurz vor Amatrice dem Wegweiser in Richtung Sommati ein paar Kilometer folgen zur Bar La Rinascita
BAR LA RINASCITA
Ezio Lalli
Monica di Giannavito
Localita Ponte Sommati Nr. 10
02012 Amatrice
Tel.: 339 1324335 (mobil)